D-Day: Invasion in der Normandie (2024)

von Cay Rademacher

27 Min.

An einem ungewöhnlich stürmischen Sommermorgen 1944 nähert sich die größte Invasionsflotte aller Zeiten der von der Wehrmacht verteidigten französischen Küste: 175.000 amerikanische, britische und kanadische Soldaten, fast alle junge Wehrpflichtige, sollen Europa befreien. Viele werden nicht einmal die ersten Minuten desD-Day überleben

Dieses Bild sieht man in der Sekunde, ehe man sterben wird: ein halbmondförmiger Strand, Sand und Kies vor einer Steilklippe, Gras im Wind, die Spitze einer normannischen Kirche, so grau wie das Morgenlicht. Ein schönes Bild. Ein schreckliches Bild. Denn dieser Strand soll eigentlich zernarbt sein von Granaten und Bomben, sodass sich nichts Lebendiges mehr regt. Diese Küste, die eine Festung ist, in der sich Soldaten verstecken, Maschinengewehre, Geschütze und felsengroße Bunker. Und dann sind die MG-Kugeln da, die Geschosse sind schneller als ihr Schall. Wen sie treffen, der ist oft schon tot, ehe er auch nur ihren Feuerknall hören könnte.

Die meisten Männer sind junge Wehrpflichtige

Wolkenfetzen am Himmel, pfeifender Nordwest, Wellen ein, zwei Meter hoch, die Küste liegt noch etliche Hundert Meter voraus. 30 schwer bewaffnete amerikanische Soldaten warten aneinandergedrängt in einem kaum seetüchtigen Boot. Das zwölf Meter lange, drei Meter breite, nur 70 Zentimeter tiefgehende Landungsboot schwankt auf den Wogen, kaltes Salzwasser schlägt über die Seiten und die Rampe am plumpen Bug. Seit rund zwei Stunden schwitzen und frieren die Soldaten zugleich in ihren mit Chemikalien gegen Wasser und Gas imprägnierten Uniformen, behängt mit 30, 40 Kilogramm Ausrüstung, die Gewehre mit Plastikhüllen gegen Feuchtigkeit geschützt. Viele Männer sind seekrank, und die Reste des Frühstücks schwappen nun um die Stiefel. Und vielleicht drückt auch Angst auf den Magen, auch Heimweh.

Etwa bei Ray Stevens, einem 24-jährigen Oberfeldwebel der A-Kompanie des 116. Regiments, der wie fast alle GIs an Bord kein Berufssoldat ist, sondern ein Farmersohn aus Bedford, einer 3000-Seelen-Stadt in Virginia. Stevens ist ein Kind der Depression, mit 13 Geschwistern ist er während Amerikas schwerster Wirtschaftskrise aufgewachsen. Seit Ray denken kann, teilt er sein Leben mit dem Zwillingsbruder Roy. Die beiden haben als Halbwüchsige abends an einer Tankstelle Boxkämpfe ausgetragen, um von Schaulustigen ein paar Cent zu verdienen. Sie haben gemeinsam eine Farm gekauft, für 3700 Dollar, denn Land war in der Krise wenig wert. Sie sind gemeinsam freiwillig zur Nationalgarde gegangen, dann zur A-Kompanie des 116. Infanterie-Regiments eingezogen worden. Sie haben den endlosen Drill gemeinsam durchgestanden und die Enge der Kasernen. Nun aber sind Ray und Roy Stevens getrennt, fast zum ersten Mal in ihrem Leben: Die Zwillinge stehen in verschiedenen Landungsbooten. Ray hat wenige Stunden zuvor seinem Bruder noch einmal die Hand reichen wollen, zum Abschied. Doch Roy, abergläubisch, hat gesagt, dass sie sich erst zur Begrüßung wieder die Hände schütteln sollen, wenn sie beide von den Landungsbooten herunter sind – in Frankreich, im Verlauf dieses 6. Juni. Zu dem Handschlag wird es niemals kommen.

Der D-Day ist die größte Invasion einer Landungsarmee aller Zeiten

An diesem kühlen Frühsommermorgen bewegt sich die größte Landungsarmee aller Zeiten auf die normannische Küste zu, insgesamt 175.000 Amerikaner, Briten und Kanadier sowie rund 200 Franzosen. Die Männer kommen mit mehr als 30 Tonnen schweren Panzern und mit Geschützen. Mit Karabinern, Maschinengewehren, Pistolen, Bajonetten. Mit Flammenwerfern und Mörsern, Rohrbomben und Handgranaten, Haftsprengstoff und Minen. Ihre Aufgabe: Sie sollen den Kontinent erobern. Denn Europa wird auch im fünften Jahr des Weltenbrandes noch immer zum größten Teil von Berlin aus beherrscht. Vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer reicht die Macht der Nationalsozialisten; ihre Armeen stehen in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, in Dänemark und Norwegen, im Norden Italiens, auf dem Balkan, in Osteuropa, in der UdSSR. Und von Norwegen bis zu den Pyrenäen haben sich Soldaten an den Küsten hinter Bunkern und Minensperren verschanzt, um jeden Invasionsversuch abzuwehren. Würde Ray Stevens sich in diesem Moment umdrehen, er sähe eine Welt in Grautönen. Im frühen Morgenlicht, unter den Fetzen der vom Wind zerrissenen Wolkendecke, schimmert das Meer wie zerknittertes Packpapier; Gischt fliegt von den Wellenkämmen. Auf dem Ärmelkanal schwimmt die ungewöhnlichste Flotte der Geschichte: 2727 Schiffe aus den USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika, Frankreich, Belgien, Polen, Norwegen, Griechenland und den Niederlanden. Am Horizont hinter Stevens liegen sechs Schlachtschiffe, schwimmende Festungen wie die 175 Meter lange "USS Texas". Die Rohre ihrer Geschütztürme weisen zur Küste.

Rund 2000 Landungsboote steuern auf die Küste zu

20 Kreuzer, 68 Zerstörer und Dutzende weitere Kriegsschiffe sowie Hunderte Patrouillen- und Minenräumboote, Fähren und Handelsschiffe formen einen weiten Fächer. Dazwischen dümpeln Truppentransporter. Vor diesen Schiffen strebt nun eine Flotte kleiner Wassergefährte zur Küste: etwa 2000 Landungsboote, die auf einen rund 90 Kilometer langen Abschnitt bei Caen zusteuern. Die Bootsführer haben Mühe, ihre meist kastenförmigen Gefährte auf dem gut 15 Kilometer langen Kurs durch Wind und Wellen zu bringen. Die starke Strömung treibt sie ab. Viele Boote transportieren jeweils 30 Soldaten in den Ladebuchten, andere abgedichtete Sherman-Panzer, die dank zusätzlicher Propeller im Wasser fahren können, oder plumpe Schwimmlastwagen. Ein paar Minuten zuvor sind mehr als 1000 Bomber Richtung Festland geflogen, in so dichter Formation, dass ihre Schatten den Boden verdunkelten.

Nun kreisen alliierte Jagdflugzeuge zwischen den Wolken. Größere Landungsschiffe ziehen Sperrballons an langen Leinen mit sich, um so feindliche Sturzkampfbomber auf Distanz zu halten. Doch der Wind zerrt so stark an ihnen, dass die schlackernden Seile für die Mannschaften gefährlich werden: Manche Kapitäne greifen deshalb kurzerhand zur Axt und zerhacken die Leinen der Ballons, die am grauen Himmel verschwinden. Die Schlachtschiffe nehmen aus etwa 17 Kilometer Entfernung die Küste unter Feuer. Bei jeder Salve der 356-Millimeter- Geschütze drückt der Rückstoß die 27.000 Tonnen schweren Kolosse seitlich durchs Wasser, hohe Wellen schwappen auf. Andere Schiffe feuern aus Raketenwerfern gewaltige Salven in Richtung der Strände ab. Die Geschosse rasen dicht über die Landungsboote hinweg, die in der meterhohen Dünung schwanken. In den Booten stinkt es nach der Imprägnierung der Uniformen und nach dem Fett, mit dem Panzer und Jeeps gegen Feuchtigkeit eingeschmiert sind, nach Schweiß und Erbrochenem. Dann verstummt das Grollen von See: Die Schlachtschiffe und Kreuzer stellen das Feuer ein, denn die ersten Kähne nähern sich dem Strand.

"Omaha Beach" haben die alliierten Militärplaner den zehn Kilometer breiten Abschnitt vor ihnen genannt: ein etwa 200 Meter tiefer Strand, der bei Flut fast vollständig überschwemmt ist, dahinter eine leicht ansteigende, noch einmal 200 Meter tiefe Kies-Böschung, begrenzt von einer über 30 Meter hohen Steilklippe. Dies ist der zentrale, aber auch unzugänglichste Abschnitt jener 90 Kilo- meter Küste, die an diesem Tag attackiert wird. 40.000 GIs sollen allein hier angreifen, in mehreren Wellen. Zur Rechten von Stevens, außerhalb seines Blickfeldes, liegt "Utah Beach". Auch er, wie Omaha, ein Ziel von US-Truppen. Zur Linken, bis auf die Höhe von Caen, haben die Alliierten Strände mit den Codenamen "Gold", "Juno" und "Sword" als Angriffspunkte britischer und kanadischer Einheiten bestimmt.

Die GIs sollen eine erste Basis in Frankreich erkämpfen

An diesem 6. Juni sollen die alliierten Soldaten alle fünf Strände erobern, danach mehrere Kilometer tief ins Binnenland vorstoßen und Caen einnehmen: So sollen sie einen Brückenkopf erkämpfen, eine erste Basis in Frankreich. Die Wehrmacht hat die Küste zu einem Teil ihres "Atlantikwalls" gemacht. Vor den Stränden sind Balken in den Grund gerammt und kreuzförmige Hindernisse aus zersägten Eisenbahnschienen: monströse Stahlgebilde, die Landungsboote aufreißen sollen. Am Strand liegen, vergraben im Sand, Minen neben Stacheldrahtverhauen, Panzergräben und Betonsperren. In den Felsen stecken getarnte, mit Beton verstärkte schachtartige Löcher, die Maschinengewehren, leichten Geschützen und Mörsern Deckung gewähren und durch Schützengräben und Tunnel miteinander verbunden sind. Die Strandaufgänge werden von "Widerstandsnestern" gesichert: durch Panzergräben und Minen geschützte Verteidigungsanlagen, aus deren gut getarnten Stellungen die Deutschen den ganzen Strand im Blick haben. Oben auf dem Kliff stehen massive Bunker. Grünbraune Tarnnetze überspannen ihre bis zu zwei Meter dicken Stahlbetonwände; in einigen dieser Festungen stehen moderne 88-Millimeter-Panzerabwehrkanonen, in anderen Beutewaffen aus allen Teilen Europas.

Die US-Offiziere haben angekündigt, dass diese Stellungen vernichtet sind, wenn die GIs am Strand landen: 480 schwere B-24 Bomber sollen unmittelbar vor der Landung 1300 Tonnen Bomben auf Omaha Beach werfen, die Schiffe Hunderte Granaten verschießen. Auf der Fahrt hat Stevens den Schatten der Bomberwolke gesehen und die Luftturbulenzen der Schiffsgranaten gespürt. Nun hofft er, auf ein Trümmerfeld zu treffen: auf zerstörte Stahlsperren, zerschmetterte Bunker, tote Deutsche. Aber in dem kurzen ersten Augenblick, da die Bugklappe seines Landungsbootes fällt, wird ihn wohl wie unzählige GIs Verwirrung und Angst packen: Der Strand liegt unberührt vor ihnen. Die deutschen Stellungen sind intakt; Stacheldrahtrollen und Stahlsperren liegen unverrückt im Sand. Und der Kirchturm des Ortes Vierville-sur-Mer direkt über Omaha Beach steht, als wäre hier kein Schuss gefallen. Irgendetwas ist schiefgelaufen...

Operation "Overlord" soll den Zweiten Weltkrieg beenden

"Vor der Schlacht ist der Plan alles, doch in der Schlacht ist er nichts", so General Dwight D. Eisenhower. Der 53-Jährige übernimmt im Dezember 1943 den Oberbefehl über die Operation "Overlord". Ihr Ziel: den Krieg ins Zentrum des Deutschen Reichs zu tragen, es zur Kapitulation zu zwingen. Eisenhower – klug, freundlich, vorsichtig – war im Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit Stabsoffizier ohne Kampfeinsatz, doch bewährte er sich als Organisator und als jemand, der Untergebene zu Loyalität inspirieren kann. 1934 urteilte ein Vorgesetzter: "Das ist der beste Offizier der Army. Wenn der nächste Krieg kommt, sollte er bis zur Spitze gelangen."

Als Deutschland den USA Ende 1941 den Krieg erklärt, ist es zunächst ein Ringen im Atlantik: Deutsche U-Boote torpedieren an der US- Ostküste Dutzende Frachter und Tanker, amerikanische Zerstörer bekämpfen die unsichtbaren Jäger. 1942 werden die ersten US-Bomber auf Basen nach Großbritannien verlegt. Im selben Jahr landen GIs in Nordafrika. Später folgt die Invasion auf Sizilien, dann die auf dem italienischen Festland. Alle drei Operationen werden von Eisenhower kommandiert. Doch in Italien kommen Briten und Amerikaner nur zäh voran. Zudem drängt der sowjetische Staatschef Josef Stalin ungeduldig auf eine zweite Front im Westen. Auch US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill wissen, dass sie sich einen direkten Weg ins deutsche Zentrum erzwingen müssen. Der Vormarsch muss im besetzten Frankreich beginnen: Dessen Küste liegt so nah an Großbritannien, dass Bomber sie von den englischen Flugplätzen aus erreichen und Invasionsschiffe rasch dort eintreffen – das minimiert die Zeit, in der die langsamen Truppentransporter von der Wehrmacht entdeckt und angegriffen werden können. Zum anderen ist die Küste so lang gezogen, dass die Deutschen sie nicht überall gleich massiv zu verteidigen vermögen. Und haben sich alliierte Armeen in Frankreich erst einmal festgesetzt, können sie von dort relativ schnell ostwärts vorstoßen, Richtung Rhein.

Der D-Day wurde über ein Jahr geplant

Die Alliierten müssen anderthalb Jahre warten, ehe die amerikanische Industrie die für die Invasion notwendigen Riesenmengen an Landungsbooten, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen, Waffen, Medikamentenpacks, Uniformen, Helmen, Stiefeln, Zelten, Funkgeräten produziert hat. Im Frühsommer 1944 stehen in den südenglischen Häfen 50.000 Fahrzeuge für den ersten Tag der Operation Overlord bereit: Panzer, Lastwagen, Jeeps, Motorräder. In den Hafenbecken liegen sechs Schlachtschiffe. Mini-U-Boote kreuzen vor der französischen Küste, um Verteidigungsstellungen auszuspähen. Fast 11.000 Flugzeuge stehen in den Hangars und auf den Flugplätzen: Bomber und Jagdflieger, Transportmaschinen und Gleiter, die in großer Höhe von Zugmaschinen ausgeklinkt werden und Angriffstruppen lautlos segelnd hinter feindliche Linien bringen sollen. Eisenhower ist seinem Gegner in fast allen Belangen deutlich überlegen. 175.000 Köpfe zählt seine Streitmacht. Bis auf wenige Berufsoffiziere sind es citizen-soldiers: junge Eingezogene. Männer wie Ray und Roy Stevens. Oder wie Oberleutnant Ray Nance, 29 Jahre – ein Mitbürger der Zwillinge aus dem Städtchen Bedford. Oder wie Earl Parker, der seine junge Frau schwanger zurücklassen musste und die inzwischen geborene Tochter noch nie gesehen hat. Auch er kommt aus Bedford. Denn das amerikanische Rekrutierungssystem, das Männer aus einer Gemeinde der gleichen Einheit zuteilt, wird außerordentlich viele Soldaten aus dem Städtchen in Virginia an die Küste der Normandie spülen. Zu den Kampftruppen des 116. Regiments, das als erste Einheit auf Omaha Beach landen soll, gehören 34 "Bedford Boys". Zwei Drittel werden ihre Heimat nie wiedersehen.

Fast zwei Jahre lang sind die Soldaten des 116. Regiments schon in Großbritannien kaserniert. Etliche Monate haben sie in einem Stützpunkt bei Salisbury verbracht, den sie zu zweifelhaften Ehren ihres Kommandeurs "Colonel Canham’s Concentration Camp" tauften. Die Soldaten haben zu schießen gelernt, beherrschen nun ihre Waffen. Und sie haben an entlegenen britischen Stränden geübt, von Landungsbooten aus eine Küste zu stürmen. Die GIs flirten mit jungen Britinnen, verspotten ihre englischen Kameraden, deren Sold nicht einmal halb so hoch ist wie ihrer, schimpfen auf das erbärmliche Essen. Südstaatler verweigern den wenigen schwarzen Soldaten der Einheiten den Zutritt zu den Kasinos. Auch weiße Landsleute werden schroff behandelt: Im Frühjahr 1944 kommen neue Rekruten in das 116. Regiment – Yankees aus dem Norden, wie George Roach aus New York. Der steht nun vor Offizieren stramm, die ihn absichtlich im nahezu unverständlichen Virginia-Slang ansprechen.

Strategische Täuschungsmanöver und ein Trugschluss

Während die GIs ausgebildet werden, inszenieren britische und amerikanische Planer die Operation "Fortitude", das vielleicht größte Täuschungsmanöver der Kriegsgeschichte: Ältere Offiziere beziehen Stellung in Schottland und senden leicht zu entziffernde Funksprüche ab, andere bewegen hölzerne Flugzeuge auf Landebahnen. Deutsche Abhörspezialisten und Aufklärer sollen glauben, im Norden der Britischen Inseln sammle sich eine Armee. Und bei Dover schieben Soldaten Panzer aus Pappmachée und Gummi umher. Es soll wirken, als sei das Ziel der Invasion nicht die Normandie – sondern Calais. Auch vom britischen Geheimdienst enttarnte und nun als Doppelagenten arbeitende Spione melden falsche Truppenbewegungen.

Die Wehrmachtsführung ist sich unschlüssig. Werden die Alliierten tatsächlich im Pas-de-Calais landen? Es wäre der ideale Ort, am nächsten zu Großbritannien. Oder in Norwegen? Weshalb gäbe es sonst in Nordschottland so verdächtig viele Aktivitäten? Da die deutschen Generäle zwar davon ausgehen, dass die Alliierten im Sommer 1944 landen wollen (die zahlreichen Truppen, Flugzeuge und Schiffe bleiben niemandem verborgen), aber nicht wissen, wann und wo, stehen sie vor einem Dilemma: Die vergleichsweise schwachen Wehrmachtseinheiten (die meisten Soldaten kämpfen im Osten) müssen über mehrere Tausend Kilometer Küste verteilt werden.

Auch unter den Alliierten sind zunächst nur wenige Offiziere eingeweiht: Die Strategen haben bereits im Juni 1943 entschieden, die Küste der Normandie anzugreifen. Nicht gerade der ideale Ort für eine Invasion. Rund 150 Kilometer Meer trennen diesen Teil der Normandie vom nächstgelegenen britischen Landstrich, das ist fast viermal die Strecke Dover–Calais. Die Invasionsflotte braucht also länger, um ihre Position zu erreichen – entsprechend früher könnten die Deutschen gewarnt werden. Zudem müssen die Angreifer, nachdem sie die Strände bei Caen erobert haben, die Seine überqueren, um Richtung Deutschland vorzurücken – der Fluss ist eine natürliche Barriere, die von der Wehrmacht gut verteidigt werden kann. Die alliierten Planer glauben aber, dass ein entscheidender Vorteil alle Nachteile aufwiegt: Gerade weil die normannische Küste so ungünstig liegt, wird sie weniger stark verteidigt. Bei Omaha Beach beispielsweise, so melden es alliierte Agenten, lägen nur 800 Soldaten der 716. Infanteriedivision in Stellung: ältere Männer, die meisten ohne Kampferfahrung – keine Gegner für die gut trainierten und gedrillten GIs. Am 28. Mai 1944 befiehlt Eisenhower schließlich: Der D-Day, der Tag der Invasion, soll der 5. Juni sein. (Als "D -Day" bezeichnen anglo-amerikanische Planer mindestens seit dem Ersten Weltkrieg einen Angriffstag.) Was die Alliierten nicht wissen: Zwei Monate zuvor hat eine neue Wehrmachtseinheit die Stellungen von Omaha Beach übernommen, drei Bataillone der 352. Division. Eine kampfkräftigere Truppe. Fast 1500 Mann.

Eisenhower gibt während der Invasion keinen einzigen Befehl

Die Soldaten des 116. Regiments, unter ihnen die Bedford Boys, besteigen die beiden Transporter "SS Empire Javelin" und "USS Thomas Jefferson". George Roach aus New York betet einen Rosenkranz. Der Katholik weiß, dass seine Einheit zur ersten Landungswelle gehört. Die Spannung in den klammen Quartieren ist groß. Ein Gefreiter namens Harry Parley zündet sich mit seinem Flammenwerfer eine Zigarette an – seine Kameraden springen beim Zischen der Waffe erschrocken in Deckung.

4.15 Uhr. Wetterkonferenz des alliierten Oberkommandos im Southwick House, einem Landsitz in Südengland. Ein Nordatlantiktief wälzt sich heran mit niedrigen Wolken, Regen, Sturm. Schlimmer noch: Seit Tagen widersprechen sich die amerikanischen und britischen Meteorologen. Die Experten haben zwar die gleichen Messwerte – doch ihre Prognosen differieren. Wird der Sturm in den nächsten Tagen so stark, dass die Landungsboote nicht ausfahren können? Werden die Wolken so dicht, dass die Bomber ihre Ziele nicht finden? Die Briten sind pessimistisch, die Amerikaner optimistisch. General Eisenhower entscheidet nach einer Bedenkzeit: Die Invasion wird um 24 Stunden verschoben.

Die Soldaten der A-Kompanie des 116. Regiments erfahren davon, als die "SS Empire Javelin" am Nachmittag ihren Kurs ändert. Roy Stevens schleift sein Bajonett, um die Nervosität loszuwerden. Später besorgt er sich in der Schiffskantine Cookies, die er mit seinem Bruder Ray teilt – und mit Earl Parker. Der holt, während sie an der Reling stehen und auf das Meer starren, ein Foto seiner 16 Monate alten Tochter hervor, das ihm seine Frau gesandt hat, und zeigt es den Zwillingen. "Wenn ich sie nur einmal sehen könnte", sagt er, „würde es mir nichts ausmachen, zu sterben.“ Es geht zurück in den Hafen. Die GIs haben eine stürmische, unruhige Nacht an Bord vor sich.

21.30 Uhr. Die Vorhersage ist jetzt etwas günstiger, wenn auch nicht gut: Wind, Regen und eine geschlossene, niedrige Wolkendecke, die aber mit der Morgendämmerung aufreißen wird, dann soll es 36 Stunden klar bleiben. Eisenhower weiß, dass er seine Armee nicht beliebig lange in den Schiffen warten lassen kann. Er gibt einen neuen Befehl: Angriff am 6. Juni. "H-Hour" – der Zeitpunkt der Landung – ist 6.30 Uhr, eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang. Am folgenden Tag entwirft Eisenhower eine Erklärung für den Fall, dass die Invasion scheitern sollte: Alle alliierten Soldaten hätten heldenhaft gekämpft, wo Fehler gemacht wurden, trage allein er die Verantwortung. Dann bleibt ihm nur noch, die Entwicklung der Dinge abzuwarten. Am D-Day wird der Oberbefehlshaber nicht einen einzigen Befehl geben.

D-Day: Invasion in der Normandie (1)

Das Wetter durchkreuzt das Anlanden

Die ersten Toten. Alliierte Luftlandetruppen erreichen einige Kilometer hinter der Küste die Normandie. An einer Brücke über den Kanal, der Caen mit dem Meer verbindet, tötet ein britischer Offizier einen deutschen Wachsoldaten; kurz darauf wird er selbst erschossen. 3.09 Uhr. Das Radar der Wehrmacht erfasst die Landungsflotte. Die Deutschen glauben, das schlechte Wetter verhindere eine Landung in diesen Tagen; viele Kommandeure sind daher auf dem Weg zu einer Übung in der Bretagne oder auf Kurzurlaub in Paris. Wegen der alliierten Täuschungsmanöver wollen selbst jetzt manche nicht wahrhaben, dass ein Angriff bevorsteht. Vielleicht ist das alles ja nur eine Ablenkung, damit die Invasoren bei Calais leichteres Spiel haben? Dennoch sind die Verteidiger spätestens zu diesem Zeitpunkt gewarnt (die Nachrichten von Kämpfen mit Fallschirmspringern kommen offenbar nur spärlich herein). Die Soldaten in den Bunkern bemannen alle verfügbaren Waffen. Sie müssen nur noch warten.

4.00 Uhr. An Deck der "SS Empire Javelin" und der anderen Truppentransporter sammeln sich die GIs, um in die Landungsboote zu steigen. Die Gefährte, die an den Davits, den Kränen an der Seite der Transporter, hängen, werden zu Wasser gelassen. Dann steigen die Soldaten an Netzen über die Bordwand hinab zu den auf den Wellen schwankenden Booten. Einige Männer quetschen sich dabei Körperteile, brechen sich sogar Knochen, drei sterben. Mindestens zehn Landungsboote schlagen voll. Über Lautsprecher hört Ray Stevens eine Botschaft Eisenhowers: "Soldaten, Seeleute und Piloten der alliierten Invasionstruppen! Ihr beginnt den Großen Kreuzzug, den wir so viele Monate vorbereitet haben. Ihr werdet die deutsche Kriegsmaschine zerstören, die Nazi-Tyrannei über die unterdrückten Völker Europas vernichten und Sicherheit für uns in einer freien Welt schaffen."

Die GIs der A-Kompanie stellen sich vor sieben Landungsbooten auf: Sechs Gefährte sollen je 30 Mann um 6.30 Uhr auf Omaha Beach absetzen. Das siebte Boot soll 19 Minuten später eintreffen: Oberleutnant Ray Nance und 16 Soldaten werden dann, so lautet der Plan, mit ihren sperrigen Funkgeräten landen. Roy Stevens ist für LCA 911 eingeteilt. Viele Soldaten auf der "SS Empire Javelin" schütteln sich noch einmal die Hände. Auch Ray hält ihm die Rechte hin. "Ich werde sie dir schütteln, wenn wir in Vierville-sur-Mer sind", sagt Roy, "an der Kreuzung oberhalb des Strandes. Später irgendwann an diesem Morgen." "Ich werde es nicht schaffen", antwortet Ray, die Hand noch ausgestreckt. Roy weigert sich weiterhin. Dann steigt er in LCA 911. 4.30 Uhr. Die Landungsboote sind im Wasser, nehmen Fahrt auf. Die Wellen treffen sie wie Hammerschläge. 5.30 Uhr. Andere Landungsboote sollen etwa fünf Kilometer vor dem Strand die schwimmfähigen Sherman-Panzer ins Wasser lassen, die ersten Einheiten, die anlanden sollen. Doch für die Kolosse ist der Seegang zu stark: Binnen Minuten sinken 27 der 32 für den linken Abschnitt vorgesehenen Panzer im Meer. Und mit ihnen die Besatzungen.

Die alliierten Bomben verfehlen die Stellungen der Wehrmacht

Am rechten Abschnitt hat Kapitänleutnant Dean Rockwell das Kommando, ein früherer Footballtrainer, der sich zur Marine gemeldet hat. Er sieht, dass die Panzer untergehen – und ignoriert den Befehl, Funkstille zu halten. Er sendet seinen acht Booten, die jeweils vier Kettenfahrzeuge transportieren, die Order, näher an den Strand zu steuern und erst dort die Shermans von Deck rollen zu lassen. Gegen 6.00 Uhr. In diesem Augenblick ist Eisenhowers Plan für Omaha Beach nichts mehr wert. Die Wolkendecke verwirrt die Bomberpiloten, sie sehen die Küstenlinie nicht – und fliegen zu weit. Ihre Bomben fallen ins Hinterland, verwüsten die Felder normannischer Bauern. Die deutschen Stellungen am Strand aber verfehlen sie, dort fällt keine einzige Bombe. Die Salven der Schlachtschiffe wiederum richten kaum Schäden an, und die Raketen der Transporter klatschen allesamt vor dem Strand ins Wasser.

Etwa 6.05 Uhr. Oberleutnant Ray Nance schiebt eine schmale Platte im Bug des Landungsbootes zurück, um hinauszusehen: Rauch – wohl von dem Beschuss durch die Schlachtschiffe – schwebt wie eine Wolke über Omaha Beach. Keine klare Sicht auf die Steilküste. Nance schließt die Öffnung. Sein Boot schwankt so sehr, dass seinem Kameraden die Antenne des Funkgeräts abgebrochen ist – der Apparat ist nun nutzlos. Nance befiehlt, ihn dennoch an den Strand zu tragen. Vielleicht kann man die Anlage dort reparieren.

Gegen 6.15 Uhr. Der Dieselmotor von LCA 911 mit Roy Stevens an Bord röhrt auf, als der Bootsführer volle Kraft gibt. "Wir sind auf unserem Weg hinein!", ruft jemand. Roy betet. Plötzlich spritzt Wasser auf: Artilleriefeuer vom Ufer. "Wir sinken!", schreit einer an Bord – und im gleichen Moment schon verschwindet der Bug im Meer. Roy Stevens stürzt ins Wasser, etwa einen Kilometer vor der Küste, reißt an den CO2-Patronen seiner Rettungsweste. Die bläht sich auf – doch seine Ausrüstung und die Uniform, vollgestopft mit Munition und Handgranaten, sind so schwer, dass er sich kaum über Wasser halten kann. "Ich ertrinke!", hört er einen seiner Kameraden. Von den 30 Soldaten an Bord haben etliche nie richtig schwimmen gelernt. Der erste GI geht unter. Die anderen Landungsboote fahren mit voller Kraft weiter. Ihre Bootsführer haben den Befehl, auf keinen Fall während des Angriffs anzuhalten, um Schiffbrüchige aufzunehmen. Zu gefährlich. 6.29 Uhr. H-Hour minus einer Minute. Das erste Landungsboot ist am Ufer – LCT 535 von Dean Rockwell. Die Schwimmpanzer rumpeln von der Rampe in das etwa einen Meter tiefe Wasser.

Die Landung in der Normandie wird zur Hölle für die Alliierten

Die A-Kompanie des 116. Regiments gehört zu den ersten am Strand und ist ungefähr dort, wo sie auch sein soll. Etliche Landungsboote aber verfehlen ihre Ziele. Auf Hunderten Metern ist der Strand frei, an anderen Stellen treffen dagegen viel zu viele Trupps ungeordnet auf Land. "Wir lassen die Rampe herunter. Und sobald wir das tun, fahren wir wieder zurück. Also haltet euch bereit!", ruft ein Bugmann im Boot von George Roach. Der Oberleutnant ihrer Gruppe stürzt als Erster heraus, Roach und die anderen stolpern über die Rampe hinterher. Sofort wird von überall her geschossen, zu hören ist der kurze, scharfe Knall von Gewehrfeuer, das "Tak-Tak-Tak" der MGs, das hämmert wie Hagel auf Blech. Mörser- und Schrapnellgranaten fliegen heulend heran.

Dann der Knall explodierender Boote und Panzer und das Schreien der Verwundeten – ein infernalischer Lärm, in dem es so ist, als habe man auf einmal sein Gehör verloren. Für Roach und seine Kameraden – für diejenigen zumindest, die die ersten Sekunden überleben – ist es wie ein Albtraum, in wirrer Hektik und zugleich in gedehnter Zeit, mit einzelnen Szenen, aber ohne zusammenhängende Handlung: MG-Kugeln, die eine lange Reihe kleiner Sandfontänen im Strand hochjagen; ein Soldat, dem plötzlich der Kopf zerspringt; ein Seemann, der in hohem Bogen durch die Luft fliegt, als sein Landungsboot auf eine Mine läuft und explodiert; abgerissene Arme und Beine am Strand, die wirken, als habe jemand einen Teil seiner Ausrüstung weggeworfen; ein Soldat, der auf der Rampe vorausläuft, durchs Wasser watet und plötzlich in einem von den Gezeiten gezogenen tiefen Graben versinkt. Roach, beladen mit mehr als 50 Kilo Ausrüstung, taumelt durch das seichte Wasser, in dem schon Tote treiben. Auf dem Sand wirft er sich hin, reißt sein Gewehr an die Schulter und feuert. "Worauf schießt du?", schreit ihm sein Oberfeldwebel zu. "Keine Ahnung!", ruft er zurück. Er liegt fast ohne Deckung an dem sanft ansteigenden Strand, einige Dutzend Meter vor einem Wall aus niedrigen Kiesdünen.

Irgendwo dahinter ragen zerklüftete Klippen auf und begrenzen den Horizont. Von überall wird geschossen, doch die deutschen Stellungen sind so gut getarnt, dass nicht einmal das Mündungsfeuer zu sehen ist. Roach weiß nicht, was er tun soll. Sein Oberleutnant ist tot – wahrscheinlich, das werden Überlebende später aussagen, von einer Maschinengewehrsalve in zwei Teile zerschossen. Sein Oberfeldwebel stirbt kurz darauf. Bald ist von den Kameraden in seiner Umgebung nur noch einer am Leben. Der aber hat seine Brille verloren und ist nun fast blind. "Kannst du schwimmen?", fragt Roach. "Nein." Sie robben trotzdem zurück ins Wasser, um hinter einem abgeschossenen Sherman Schutz zu finden. Drei Männer mit von Verbrennungen entstellten Gesichtern treiben hinter dem Panzer im Wasser: Überlebende der Besatzung. Hinter dem Turm des Sherman hockt der Kommandant. Sein linkes Bein ist unterhalb des Knies abgerissen, ein Knochen ragt ins Wasser. Der halbblinde GI kriecht in das Panzerwrack, tastet, findet ein Medizinpack und darin eine Spritze Morphium. Die geben sie dem Verwundeten. Doch der Kommandant, offenbar unter Schock, will an Land schwimmen. Er ruft seine Crew, die ihm ins Wasser hilft, irgendwie schwimmen sie davon. Roach wird keinen der vier Panzerfahrer je wiedersehen. Er bleibt hinter dem Sherman in Deckung, ebenso sein Kamerad. Doch von hinten kriecht das Meer heran, die Flut läuft auf. Bald schon müssen sie auf den Panzer steigen. Dann auf dessen Turm. Und dann wird auch der überflutet.

D-Day: Invasion in der Normandie (2)

Chaos und Tod an den Stränden der Normandie

Der Gefreite Harry Parley springt von der Rampe ins Wasser – und geht sofort unter. Wie so viele GIs an diesem Morgen unterschätzt er, wie tief das Meer hier noch ist. Neben seiner normalen Ausrüstung trägt er den 40 Kilogramm schweren Flammenwerfer, der ihn nun in die Tiefe zerrt. Ein Soldat, der ihn gerade noch zu packen bekommt und in flacheres Wasser zieht, rettet ihm das Leben. Hustend taumelt Parley über den Strand nach vorn. Eine kleine Erhöhung von etwa zwei Metern dort, wo der Kiesstreifen beginnt, ist die einzige Deckung. Er wankt vorwärts, während Kameraden vor ihm getroffen zusammenbrechen.

Die Geschütze der deutschen Verteidiger und die Kanonen der wenigen noch intakten Sherman-Panzer röhren. Beißender Qualm zieht durch die Luft. Parley schafft es bis zum Kiesstreifen und wirft sich hin. Überall GIs, viele verwundet; sie kriechen auf allen vieren, müssen sich anbrüllen, um sich im Lärm verständlich zu machen. Wo sind sie? Die meisten Offiziere sind bereits tot; einer – mit halb abgerissenem linken Arm – versucht, Ordnung in seine Einheit zu bringen, doch dann wird auch er tödlich getroffen. Parley will sich im Liegen am Strand eingraben – vergebens. Er greift sich ein weggeworfenes Gewehr, um auf die Deutschen zu schießen – aber er kann nichts erkennen. Er zerrt ein paar verwundete GIs vom Strand, bevor sie hilflos in der anrückenden Flut ertrinken. Konfusion. Niemand weiß, wo er ist, wo er hin soll und was als Nächstes zu tun ist. Parley betet.

Oberleutnant Ray Nance stürmt, sein Gewehr über dem Kopf, um es vor den Wogen zu schützen, vom Landungsboot. Wo sind die Männer seiner Einheit? Niemand zu sehen. Dann erkennt er sie: Tote im Sand. Mörsergranaten. MG-Kugeln. Sein Funker mit dem schweren, beschädigten Gerät kriecht nur langsam voran. "Beweg dich, beweg dich!", be fiehlt Nance. "Ich bin getroffen worden." "Kannst du dich noch bewegen?" Keine Antwort: Der Funker ist verschwunden. Die meisten anderen Soldaten, die mit ihm vom Boot stürmten, fallen blutend in den Sand. Dann begreift Nance, dass ihn ein deutscher MG-Schütze offenbar unter Feuer nimmt. Sandfontänen der Geschosse spritzen auf, immer näher. Nance wirft sich hin, den Kopf in die Richtung, aus der die Kugeln kommen. So bietet er dem unsichtbaren Verteidiger ein kleineres Ziel – und sollte dieser ihn doch treffen, ist das Leiden sofort vorbei: Kopfschuss. Dann entfernen sich die Einschläge – offenbar hat der Deutsche ein anderes Ziel gefunden. Nance robbt vorwärts; das Feuer kommt wieder näher. Ein harter Schlag gegen seinen rechten Fuß. Er ist verletzt. Das Feuer treibt erneut ab. Der Offizier zieht sich weiter, sieht eine von der Strömung geformte Mulde im Sand, voll Meerwasser. Er wirft sich hinein, taucht unter. Kugeln im Wasser. Er taucht auf, taucht unter, endlos. Sein Gewehr ist längst von Sand und Wasser unbrauchbar. Dann wieder hoch, weiter, nur weiter. Nance erreicht, blutend, waffenlos, erschöpft und ohne Männer, die ihm folgen, den Fuß der Steilklippe, wo er in Deckung geht. Er ist einer von nur drei Offizieren seiner Kompanie, die auf Omaha Beach noch leben.

7.00 Uhr. Die zweite Landungswelle. Nach Eisenhowers Plan hätten die Soldaten der ersten Welle bereits den Strand sichern und nun die Stellungen in den Klippen sowie die fünf schmalen Hohlwege vom Strand zum Hinterland angreifen sollen. Doch Omaha Beach ist alles andere als sicher: Im schwarzen Qualm liegen ausgebrannte oder halb versunkene Panzer und Jeeps. Tote, manche grausig verstümmelt, treiben im Meer. Am Strand liegt all das, was die GIs in der Panik des ersten Angriffs fallen ließen: Gewehre, Mörser, Schaufeln, Munition, auch Bibeln, Gedichtbände, Zigaretten, sogar ein Tennisschläger. Die Bootsführer der Landungsboote fürchten sich, als sie die zerschossenen Wracks der ersten Welle entdecken. Manche kreuzen parallel zum Strand, auf der verzweifelten Suche nach einer Lücke in der Sperre aus Stahl und Minen. Ein Seemann wird schließlich von einem wütenden Offizier mit vorgehaltener Waffe gezwungen, landeinwärts zu drehen. Andere lassen die Rampen viel zu früh herunter: Etliche Soldaten versinken im Wasser. Immerhin haben all jene, die nun im Meer um ihr Leben kämpfen, wenigstens eine Chance. So wie George Roach, der mit seinem fast blinden Kameraden auf dem ausgebrannten Panzer steht, bis die Flut die Männer erreicht. Roach schwimmt wieder auf den Strand zu – beide werden schließlich von Booten gerettet. Oder wie Roy Stevens, dessen Landungsboot vor der Küste versenkt wurde. Er treibt immer noch mit den Kameraden, die nicht vor Erschöpfung gestorben sind, in den Wogen. Da hört er jemanden mit englischem Akzent rufen: Ein zurückkehrendes Landungsboot der ersten Welle dreht bei, die Briten ziehen die entkräfteten GIs an Bord. Roy erbricht Seewasser auf den Boden. Dann erkennt er, dass bereits mehrere seiner Kameraden auf dem Landungsboot sind. Einem Bedford Boy hat die Kugel einer Panzerbüchse die Schulter so schrecklich aufgerissen, dass man das Herz schlagen sieht. Eine Stunde später ist er verblutet. Stevens wird mit den anderen Überlebenden zur "SS Empire Javelin" zurückgebracht. Irgendjemand zerschneidet mit einem Messer seine wassergtränkte Ausrüstung und zerrt sie ihm vom Leib. Die physische Last ist er los – eine andere Last aber wird ihm für den Rest seines Lebens bleiben: das Gefühl, die Kameraden, die nun an Land kämpfen, im Stich gelassen zu haben. Denn Omaha Beach wird Oberfeldwebel Roy Stevens an diesem 6. Juni 1944 nicht erreichen.

Der Überlebenskampf der alliierten Soldaten

General Norman Cota hechtet an Land. Auch er, eine kalte Zigarre zwischen den Zähnen, weiß nicht, wo seine Soldaten sind und was sie machen. Parley und ein paar Hundert andere leben noch und kauern hinter niedrigen Kieshaufen, mit Minen gespickten Stahlsperren oder Panzerwracks. Viele GIs sind ohne Helm und waffenlos, sind hungrig, müde, nass und durchgefroren. Wäre dies eine normale Schlacht, das Häuflein entmutigter Männer hätte sie bereits verloren. Doch es gibt kein Zurück. In ihrem Rücken sind Strand und Meer – freies Schussfeld für die Wehrmachtssoldaten, eine Flucht ist nicht möglich. Vor ihnen sind getarnte Stellungen, aus denen so heftig gefeuert wird, dass niemand mit erhobenen Händen aufzustehen wagt. Also kann man sich auch nicht ergeben. Die Farmerjungen aus Virginia werden in diesen Stunden zu tollkühnen Helden aus schierer Not. Wer nicht hilflos liegen bleiben und so lange warten will, bis ihn eine Kugel trifft, der muss in die Felsen – und sie erstürmen. Denn alle Hohlwege sind nach wie vor in den Händen der Deutschen.

8.30 Uhr. Mehrere Funker sind mit den ersten GIs an Land gegangen, doch die meisten sind tot oder haben ihre Geräte verloren. Acht von zwölf Sanitäter-Teams haben es bis zum Strand geschafft, doch ohne wichtige Ausrüstung. (Tatsächlich gehören zu den ersten Sanitätern auf Omaha Beach Soldaten des medizinischen Hauptquartiers, die Schreibmaschinen, aber keine Medikamente an Land schleppen.) Auf Omaha Beach entscheidet der als "Beachmaster" verantwortliche Marineoffizier: Der Strand ist überfüllt, keine weiteren Verstärkungen! Die Landungsboote ziehen Kreise vor dem Strand.

Was die Offiziere auf den Schiffen nicht sehen, ist der unorganisierte Kampf der Überlebenden. Überall am Omaha Beach scharen die wenigen Offiziere und Unteroffiziere ein paar Mann um sich und kriechen in die Klippen, wo sie, anders als am Strand, hinter Felsen in Deckung gehen können. Zu den Soldaten stoßen Seeleute, deren Landungsboote versenkt worden sind. General Cota, Colt in der Faust, erreicht die Böschung aus Kieselsteinen. Granatsplitter, groß wie Spatenschaufeln, reißen grässliche Wunden in Soldaten links und rechts neben ihm. Er ruft Männer zusammen und befiehlt ihnen, nach den überall im Sand liegenden Waffen zu greifen. Strandgras, das vor den Klippen wächst, ist von Geschossen in Brand gesetzt worden. Der Rauch schränkt die Sicht der Verteidiger ein: die Chance zum Angriff. Einige seiner GIs sprengen eine Bresche durch einen Stacheldrahtverhau vor dem Fuß der Steilklippe. Der erste Soldat, der hindurchstürmt, wird aber trotz des Qualms von MG-Kugeln niedergestreckt. "Sanitäter!", ruft er. "Ich bin getroffen worden!" Minuten später, schluchzend: "Mama", immer wieder. Dann nichts mehr. Seine Kameraden, in Panik, wagen sich nicht aus der Deckung.

Schließlich ist es Cota selbst, der als Erster durch die Bresche stürmt. Ihm folgen die anderen Soldaten. Sie erreichen den Fuß der Klippen. Die Steilküste, die aus der Entfernung wie eine Wand wirkt, ist in Wirklichkeit zerfurcht und rissig. Hohes, spitzes Strandgras wächst zwischen den Steinen. In Rinnen oder steilen Wegen klettern die Männer hinauf. Überall sind Minen versteckt. Cotas Trupp ist erschöpft und langsam. Andererseits bewegen sie sich endlich im toten Winkel der Verteidiger: Für viele Deutsche, die in festen Stellungen schräg über ihnen ausharren, sind sie unsichtbar. Granaten jedoch heulen von oben herab. Eine verwundet Cotas Funker schwer und schleudert einen Leutnant gut 20 Meter von den Klippen in die Tiefe – wo der Mann unglaublicherweise fast unverletzt aufschlägt.

D-Day: Invasion in der Normandie (3)

Das Blatt wendet sich: Zerstörer eröffnen eigenmächtig das Feuer

Endlich kann sich Cota mit seinem zusammengewürfelten Trupp, wohl ein paar Dutzend Mann, bis zur Oberkante der Steilküste hochkämpfen. Hecken, kleine Felder, Straßen, Apfelbäume. Andere GIs nehmen inzwischen die ersten Gefangenen. Wohl einige Dutzend Wehrmachtsangehörige überleben das nur um wenige Augenblicke: US-Soldaten, rasend vor Zorn über das Grauen am Strand, sollen Deutsche, die sich bereits ergeben haben, rücksichtslos niedergeschossen haben. (Und in mindestens einem Fall, so berichtet es ein GI, ermorden sie später an diesem Tag auch französische Zivilisten, die sie für Artilleriebeobachter in deutschen Diensten halten.)

Eine mutige Entscheidung rettet die Kämpfer am Strand schließlich vor der Vernichtung. Wenige Kilometer vor der Küste dümpeln alliierte Zerstörer, deren Kapitäne eigentlich den strikten Befehl haben, nach dem Beginn der Landung nur dann wieder das Feuer zu eröffnen, wenn es die GIs mit genauer Zielangabe per Funk angefordert haben. Doch als nach anderthalb Stunden noch immer kein Funkkontakt zum Land zustande kommt, erhalten sie die Weisung, selbstständig Ziele zu suchen und anzugreifen. Die Besatzung der "USS McCook" ist die erste, die auf eigene Initiative so nah wie möglich an die Küste heranfährt und deutsche Stellungen beschießt. Die schweren Bunker können sie mit ihren Kanonen nicht zerstören, doch für die Deutschen, die sich in den Klippen und Löchern verschanzt haben, ist der präzise Beschuss verheerend. Ihr Abwehrfeuer wird schwächer.

Rund 600 GIs haben es bis über die Klippen geschafft, Versprengte des 116. Regiments und anderer Einheiten. Die ersten Amerikaner erreichen die massiven Bunker, in denen die schweren deutschen Geschütze installiert sind. Vor einem Zugang stellen sie einen Lastwagen voll mit TNT ab und zünden es. Als sie anschließend die Festung stürmen, sind alle Wehrmachtssoldaten äußerlich unverletzt – nur aus Mund und Nase läuft ihnen Blut. Alle sind umgekommen, in einem Augenblick getötet von der immensen Druckwelle des explodierenden Sprengstoffs. General Cota wird mit einem MG beschossen. Seine Männer werfen sich nieder. "Jetzt wollen wir doch mal se hen, was ihr für Kerle seid", ruft er – und sprintet voran. Laufend, dabei auf Hecken und Häuser feuernd, stürmen die GIs auf das Städtchen Vierville-sur-Mer zu, vorbei an niedergeschossenen Deutschen; einem toten Verteidiger glimmt noch die halb gerauchte Zigarre zwischen den Lippen. Als sich eine weitere Gruppe von GIs den Strandaufgang des Städtchens hinaufkämpft, trifft sie oben auf General Cota, der seinen Colt um den Zeigefinger kreisen lässt wie ein Revolverheld aus dem Wilden Westen und fragt: "Wo habt ihr gesteckt, Jungs?" Gemeinsam stürmen sie Vierville-sur-Mer und sehen die ersten Menschen, zu deren Befreiung sie gekommen sind: einige Dorfbewohner, die in einem Geschäft Milch trinken. Rund 400 Deutsche, so berichten die Franzosen, hätten den Ort besetzt, doch alle seien geflohen, als die Schiffe ihr massives Feuer eröffneten.

D-Day: Invasion in der Normandie (4)

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So heftig die Kämpfe am Morgen auch waren, so sporadisch sind sie nun. Die Landung ist gelungen. General Cota persönlich leitet eine Patrouille von Vierville-sur-Mer wieder hinunter zum Omaha Beach, wo noch Hunderte GIs erschöpft, geschockt und führerlos hinter Panzerwracks und Dünen in Deckung liegen. Um sich vor Minen zu schützen, lässt der General einen deutschen Kriegsgefangenen vorangehen und tritt genau in dessen Spuren. Tatsächlich gelangt er unbeschadet unten an, treibt die entmutigten Soldaten hoch – und bringt einen sogar dazu, einen verlassenen, doch offenbar unbeschädigten Panzer den Strandaufgang hinaufzusteuern.

Es ist der erste Koloss, der auf die Anhöhe rumpelt. Da Soldaten auf Omaha Beach inzwischen Wracks beiseitegeräumt und Minenfelder gesprengt haben, landen neue Truppen an: 18 772 Amerikaner sind schon ans Ufer gelangt. Die GIs halten Vierville-sur-Mer, doch sie kommen nicht weiter. Das liegt vor allem am unübersichtlichen Gelände: von Hecken durchzogene Felder, ideales Terrain für Hinterhalte, Scharfschützen und befestigte Stellungen. Zudem lähmt die Männer geistige und körperliche Erschöpfung. Viele GIs finden, dass es genug für diesen Tag ist, den Sturm auf den Strand überlebt zu haben. "Ich hatte einen großen Krug Wein befreit, und wir tranken alle einen tiefen Schluck", erinnert sich später ein Unteroffizier.

13.50 Uhr. Ein übernervöser Soldat, noch unten auf Omaha Beach, sendet per Signalzeichen an den Zerstörer "USS Harding": "In Kirchturmspitze feindlicher Artilleriebeobachter vermutet." Es ist der Kirchturm von Vierville-sur-Mer. Niemand am Strand oder an Bord der "USS Harding" weiß, dass der Ort bereits seit Stunden in amerikanischer Hand ist. Der Zerstörer feuert 40 Granaten in das Dorf, die nicht nur die Kirche zertrümmern, sondern auch das Haus des Bürgermeisters und die Bäckerei. Das Baby des Bäckers, ein Kindermädchen und mehrere GIs sterben. Zu dieser Zeit kämpft Harry Parley irgendwo außerhalb des Dorfes. "Wir bewegten uns wie eine kleine Bande von Outlaws, die meiste Zeit wussten wir nicht, wo wir sind. Oft trafen wir andere Gruppen wie unsere, vereinigten uns mit ihnen oder trennten uns, je nach Lage, und fragten immer nach irgendwelchen Neuigkeiten von der eigenen Kompanie oder vom eigenen Bataillon." Einmal hört er das Rasseln schwerer Ketten, dann den Krach einer deutschen Kanone, sieht aber nichts. Parley macht kehrt, hastet zurück und springt in einen Straßengraben – wo schon ein älterer Unteroffizier in Deckung liegt. "Es ist ein Panzer! Was sollen wir nun tun?", schreit er. Der Mann sieht ihn ruhig an. "Entspann dich, Junge, vielleicht fährt er weg." Der Veteran behält recht.

D-Day: Invasion in der Normandie (5)

Das Ende des Zweiten Weltkriegs rückt näher

Die Amerikaner haben Omaha Beach genommen, Vierville-sur-Mer sowie einige Straßenzüge von St. Laurent. Colleville-sur-Mer weiter östlich wird von den Deutschen erbittert verteidigt. 40.000 Soldaten sollten an diesem Strand landen, nur etwa 35.000 ist es gelungen. Mehr als 2000 Tote, Verwundete oder Vermisste werden gemeldet – vor allem von den Einheiten der ersten Landungswelle. Die A-Kompanie des 116. Regiments existiert praktisch nicht mehr, nur ein paar Dutzend der rund 200 Männer leben noch, und auch die sind fast alle verwundet.

Eisenhowers Ziele sind am D-Day auf Omaha Beach nicht ganz erreicht worden: Auch die anderen amerikanischen, britischen und kanadischen Truppen haben, trotz schwächeren Widerstandes, weniger Terrain erobert als geplant. Dennoch: Nur wenige Tage in diesem jahrelangen Ringen haben neben ihren militärischen auch derart weitreichende politische, ja psychologische Folgen: Viele Menschen in den von Deutschland besetzten Ländern, aber auch manche im Reich selbst spüren, dass dies der Anfang vom Ende der Diktatur Adolf Hitlers ist.

"'This is D-day', sagte um zwölf Uhr das englische Radio!", schreibt beispielsweise Anne Frank in ihrem Amsterdamer Versteck in ihr Tagebuch. "Sollte denn nun wirklich die lang ersehnte Befreiung nahen? Wir wissen es noch nicht, aber die Hoffnung belebt uns, gibt uns wieder Mut, macht uns wieder stark."

Die wenigen Quadratkilometer Normandie, die am D-Day erobert werden, sind der entscheidende Riss im Atlantikwall: Von nun an landen die Alliierten dort Verstärkungen an. Mit 146 vorfabrizierten, bis zu 6000 Tonnen schweren, schwimmfähigen Betonkästen beginnen sie einen Tag nach der Invasion vor den Stränden einen künstlichen Hafen zu bauen, in dem Schiffe bald schnell entladen werden: Ende Juni erreichen über flexible Brücken täglich mehr als 14.000 Tonnen Material und Fahrzeuge das Ufer. 850.000 alliierte Soldaten sind inzwischen eingetroffen. Zwei Monate lang kämpfen Alliierte und Wehrmacht um die Normandie, dann haben Eisenhowers Truppen den Widerstand gebrochen – und der Vorstoß nach Deutschland kann beginnen. Am 21. Oktober 1944, 137 Tage nach dem D -Day, fällt Aachen als erste deutsche Großstadt in amerikanische Hand. Ende März 1945 stehen Briten und Amerikaner am Rhein, am 7. Mai 1945 kapituliert die Wehrmacht in Eisenhowers Hauptquartier im französischen Reims: Elf Monate nach dem D-Day ist der Krieg in Europa beendet.

Die Bedford Boys zahlen den Preis für die Invasion in der Normandie

Von den 34 Bedford Boys kämpft da schon längst keiner mehr. 19 fallen am D-Day, drei noch während der Kämpfe in der Normandie. Am 11. Juli sind alle Bedford Boys des 116. Regiments entweder tot oder verwundet – keine US-Gemeinde zahlt einen höheren Blutzoll.

Oberleutnant Ray Nance, dem der Fuß zerschossen wurde, kehrt Ende 1944 nach Bedford zurück. Dort macht er als Briefträger die Runde von Haus zu Haus, bei Nachbarn, Freunden, für deren Söhne er als Offizier verantwortlich war – und die nie wiederkehren. Noch 50 Jahre später werden ihn Albträume plagen.

Earl Parker wird seine Tochter niemals sehen – und die wird nie am Grab ihres Vaters stehen. Denn von Parkers Tod am Omaha Beach gibt es keine Augenzeugen, seine Leiche wurde nie gefunden. Wahrscheinlich hat das Meer sie fortgespült.

Roy Stevens, der als Schiffbrüchiger Omaha Beach am D-Day nicht erreichte, wird erst am 11. Juni angelandet. Auf einem improvisierten alliierten Soldatenfriedhof, auf dem die Erkennungsmarken der GIs an Grabkreuzen hängen, entdeckt er die Marke seines Zwillingsbruders Ray. Er meldet sich daraufhin für selbstmörderisch gefährliche Kommandos. Tatsächlich wird er am 30. Juni 1944 durch eine Sprengfalle schwer verletzt, aber er überlebt. Aus dem Hospital in England schreibt er ein Gedicht an seine Mutter: "Ich sagte meinem Bruder Lebewohl. Dachte nicht, dass es so bald sein würde. Ich hatte für unsere Zukunft gebetet. Dieser schöne Ort namens Heimat, doch das Gebet eines Sünders wurde nicht erhört. Nun muss ich dorthin alleine gehen."

GEO EPOCHE Nr. 44 - 08/10 - Der Zweite Weltkrieg - Teil 2

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D-Day: Invasion in der Normandie (2024)
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