Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD): Klassifikation geändert (2024)

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Nach dem GOLD-Report 2017 wird die Lungenfunktion getrennt von den anderen Kriterien betrachtet, um die Behandlung individualisieren zu können.

Nach 6 Jahren bringt die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) eine runderneuerte Fassung ihres Reports heraus (1). Das Dokument, erstellt auf Grundlage der Analyse der aktuellen Literatur, soll nach dem Willen der Autoren weltweit als Grundlage für nationale Leitlinien zur Diagnose, Therapie und Prävention der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) dienen. Das erste GOLD-Dokument wurde 2001 erstellt und 2011 grundlegend revidiert. In den Folgejahren sind Ergänzungen publiziert worden. 2017 erfolgte wiederum eine größere Revision.

Für die Praxis am wichtigsten dürften die neue Klassifikation und die differenzierten Therapieempfehlungen werden: Die Spirometrie dient künftig primär dazu, den Schweregrad der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) abzuschätzen; sie verliert ihre Bedeutung für die Therapieplanung. Therapeutisch setzt GOLD auf Bronchodilatatoren als „Rückgrat“ und beschränkt die Gabe von inhalativen Steroiden auf Patienten, die unter dualer Bronchodilatation gehäuft exazerbieren.

Die Einführung der ABCD-Klassifikation im Jahr 2011 stellt in den Augen der GOLD-Experten „einen wichtigen Durchbruch“ dar, weil erstmals neben der Lungenfunktion auch patientenrelevante Kriterien berücksichtigt wurden. In der Praxis brachte die 4-Felder-Tafel, auf der die Klassifikation basiert, jedoch einige Probleme mit sich: Sie bildete 3 Domänen (Lungenfunktion, Symptome und Exazerbationen) in 2 Dimensionen ab. Vereinfacht gesagt, teilten sich FEV1 und Exazerbationen eine Achse.

Das führte unter anderem dazu, dass Patienten vor allem wegen ihrer schlechten Lungenfunktion in Gruppe C und D einsortiert wurden und seltener wegen ihres hohen Exazerbationsrisikos – mit entsprechenden Konsequenzen für die Therapie.

Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Spirometrie eher schlecht geeignet ist, die COPD-Therapie zu steuern, weil die Lungenfunktion im Einzelfall nur schlecht mit Symptomen, Leitungseinschränkung und Gesundheitszustand korreliert. Das GOLD-Komitee hat deshalb die FEV1 aus der 4-Felder-Klassifikation herausgenommen und sieht jetzt ein abgestuftes Vorgehen vor (Tabelle).

Spirometrie hat Priorität

Am Anfang steht weiterhin die Spirometrie zur Sicherung der Diagnose einer obstruktiven Ventilationsstörung. Bei entsprechender Anamnese und Symptomatik kann von einer COPD ausgegangen werden, wenn das Verhältnis von FEV1 zu FVC nach Broncholyse kleiner als 0,7 ist. Dieses Kriterium sei nicht ideal, weil es den altersassoziierten Verlust an Lungenfunktion nicht berücksichtige und zu Überdiagnosen bei älteren und Unterdiagnosen bei jüngeren Patienten führe, räumt die GOLD-Gruppe ein. Es wurde jedoch entschieden, es beizubehalten, weil es ein einfaches Kriterium ist, das keinen aufwendigen Abgleich mit Altersnormwerten erfordert.

Die Lungenfunktion wird außerdem genutzt, um den Schweregrad anhand der Flusslimitierung festzustellen. Die Einteilung entspricht den aus früheren GOLD-Versionen bekannten Stadien 1 (FEV1 >80% vom Soll) bis 4 (FEV1 <30% vom Soll).

Für die ABCD-Klassifikation werden nur noch die Symptomatik anhand des Dyspnoe-Scores mMRC (modifizierter Score des Medical Research Council) oder des umfassenderen CAT-Scores (COPD Assessment Test) sowie die Exazerbationsanamnese berücksichtigt. Als „cut-offs“, ab denen ein Patient als deutlich symptomatisch gilt, wurden mindestens 2 Punkte im mMRC respektive 10 Punkte im CAT gewählt. Bei den Exazerbationen gilt ein Patient als Hochrisikokandidat, wenn im zurückliegenden Jahr mindestens 2 ambulant behandelbare oder 1 hospitalisierungspflichtige Exazerbation aufgetreten sind.

Ein Beispiel: 2 hochsymptomatische Patienten mit einem CAT von 18 Punkten und schlechter Lungenfunktion (FEV1 <30% v. S.), von denen einer im Vorjahr keine, der andere aber 3 Exazerbationen hatte, wären nach der alten Klassifikation beide in Gruppe D einsortiert worden.

Nach der neuen Klassifikation bekommt der erste Patient das Label GOLD 4/Gruppe B, der zweite GOLD 4/Gruppe D. Das setzt sich direkt in einen pharmakotherapeutischen Algorithmus (Grafik) um, der sich – Konsequenz aus dem oben Gesagten zur Lungenfunktion – in erster Linie nach der Gruppenzuordnung richtet.

Grafik

Behandlungsalgorithmus der GOLD-Klassifikationen

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Das GOLD-Komitee äußert dabei klare Präferenzen für die Erstlinientherapie in den jeweiligen Gruppen, gibt aber auch erstmals Hinweise, wann und wie die Therapie eskaliert oder deeskaliert werden sollte.

  • Bei Gruppe A, also Patienten mit geringer Symptomlast und niedrigem Exazerbationsrisiko, sollte die Therapie mit einem Bronchodilatator (ß2-Mimetika, Tiotropium-/Ipratropiumbromid und Theophyllin) begonnen werden, wobei kurz oder lang wirksame Substanzen gegeben werden können.

Je nach Ansprechen sollte die Therapie fortgeführt, beendet oder auf einen anderen Wirkstoff gewechselt werden.

  • Für Gruppe B wird die Behandlung mit einem lang wirksamen Bronchodilatator empfohlen, entweder einem Anticholinergikum (LAMA) oder einem Beta2-Agonisten (LABA). Eine Präferenz äußern die GOLD-Autoren an dieser Stelle nicht.

Bestehen die Symptome fort, sollten LAMA und LABA kombiniert werden, vorzugsweise als Fixkombination. Hochsymptomatische Patienten können bereits initial kombiniert behandelt werden. Inhalative Kortikosteroide (ICS) haben bei Patienten der Gruppen A und B – wie bisher auch – keine Indikation.

  • Zu Gruppe C gehören geringsymptomatische Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko. Empfohlen wird hier, mit einem LAMA zu beginnen, weil diese Substanzklasse Exazerbationen effektiver vorbeugt als LABA. Exazerbiert der Patient weiter, sollte eine LAMA/LABA-Kombination gegeben werden.

Alternativ kommt eine Kombination LABA/ICS infrage, doch da ICS das Pneumonierisiko bei COPD steigern, gibt man der Kombination LAMA/LABA den Vorzug. Eine Tripletherapie aus LAMA/LABA/ICS ist nicht vorgesehen.

  • Bei Gruppe D, den hochsymptomatischen Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko, wird bereits zum Einstieg die Bronchodilatatoren-Kombination empfohlen. Damit trägt GOLD der Tatsache Rechnung, dass sich LAMA/LABA in der 2016 publizierten FLAME-Studie (2) als signifikant effektiver erwiesen hat als eine Kombination aus LABA und ICS.

Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass Patienten der Gruppe D ein deutlich höheres Pneumonierisiko unter ICS-Gabe haben.

Eine LABA/ICS-Therapie kommt jedoch infrage, wenn der Patient zusätzlich Zeichen einer Asthma-erkrankung aufweist.

Gruppe-D-Patienten, die unter LAMA/LABA weiterhin exazerbieren, können entweder auf eine Tripletherapie eskaliert oder auf LABA/ICS umgestellt werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Evidenz für beide Strategien schwach ist.

Bei Patienten, die unter dem Triple immer noch Exazerbationen bekommen, kommen weitere Optionen wie Roflumilast (bei schlechter Lungenfunktion und chronischer Bronchitis) oder Makrolide (bei Ex-Rauchern) ins Spiel.

Einen hohen Stellenwert räumt GOLD den nichtmedikamentösen Maßnahmen ein, vor allem Rauchentwöhnung, pneumologischen Rehabilitationsmaßnahmen und Lungensport. Ferner gehören Patientenschulung und die Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken zum Standardprogramm.

Komorbiditäten

Ein eigenes Kapitel ist den Begleiterkrankungen gewidmet. Hier gilt der Grundsatz, dass Komorbiditäten leitliniengerecht therapiert werden sollten, so als ob der Patient keine COPD hätte – und vice versa. Das gilt insbesondere auch für kardiovaskuläre Erkrankungen, die bei COPD-Patienten häufig anzutreffen sind.

Es wird betont, dass die COPD keine Kontraindikation für eine Behandlung mit Betablockern darstellt, wenn diese aus kardialer Indikation verordnet werden sollen.

Neue Definitionen

Nach der neuen Definition ist die COPD charakterisiert durch persistierende respiratorische Symptome und Atemflusslimitierung aufgrund abnormer Veränderungen der Atemwege und/oder des Lungenparenchyms. Weggefallen ist das Kriterium Irreversibilität, weil es mit den neuen lang wirksamen Bronchodilatatoren nicht mehr greift, und die Assoziation mit einer verstärkten inflammatorischen Reaktion in der Lunge auf Noxen.

Das heißt nicht, dass es keine Inflammation gibt, sie wird aber stärker in den Hintergrund gerückt – möglicherweise soll das unterstreichen, dass auch die antiinflammatorische Therapie gegenüber der Bronchodilatation an Stellenwert verloren hat. Eine Exazerbation liegt vor, wenn eine akute Verschlechterung der Symptomatik zusätzliche Therapie erfordert:

  • Leichte Exazerbation: Der Patient kann selbst die Bedarfsmedikation erhöhen.
  • Moderate Exazerbation: erfordert zusätzlich Antibiotika und/oder orale Kortikosteroide.
  • Schwere Exazerbation: Hospitalisierung oder Notarztbehandlung erforderlich.

Nichtpharmakologische Therapie

Für alle Stufen der COPD (A–D) werden Raucherentwöhnung (auch mit pharmakologischer Unterstützung), die Grippe- und Pneumokokkenimpfung sowie physische Aktivität empfohlen.

Für B- bis D-Patienten empfiehlt sich zusätzlich die Rehabilitation, wobei die Programme sich an den Möglichkeiten und Präferenzen des Patienten, die Impfungen an den lokalen Impfempfehlungen orientieren sollten.

Bei untergewichtigen Patienten wird eine Nahrungssupplementation empfohlen.

Individuelle Sauerstofftherapie

  • Bei pO2 <55mmHg (8kPa) (bei Rechtsherzinsuffizienz <60mmHg, 8,5kPa) beziehungsweise Sättigung <88%.
  • Kontrolle nach 2–3 Monaten unter Raumluftatmung erforderlich, ob die Sauerstofftherapie noch notwendig ist.
  • Obwohl bei Patienten mit leichter Ruhehypoxämie (SaO2 88–92%) oder Entsättigung unter Belastung generell keine Langzeit-Sauerstofftherapie empfohlen wird, sollte eine individuelle Entscheidung bei diesen Patienten erfolgen.

DOI: 10.3238/PersPneumo.2017.03.03.04

Manuela Arand

Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

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Author: Mrs. Angelic Larkin

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